Jüngstes EuGH-Urteil: Verletzt Bau der Staustufe Decín Europäisches Recht?
Pressemitteilung | Prag / Decín / Dresden, den 9. Juli 2015´ | Arnika, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Deutsch-tschechischer „Dialog im Boot“ auf der Elbe von Decín nach Bad Schandau
BUND und Arnika fordern Tschechien auf, Staustufenplanungen aufzugeben
Bei dem heutigen Dialog im Boot auf der Fahrt von Decín nach Bad Schandau kommen Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler und Politiker mit Umweltschützern zusammen, um Konsequenzen der geplanten Elbe-Staustufe und mögliche Alternativen auszuloten.
Seit Mitte Mai diesen Jahres herrscht an der tschechischen wie an der deutschen Elbe extremes Niedrigwasser mit Fahrtiefen um einen Meter. Entlang der 600 Kilometer langen freifließenden Elbe ist die Güterschifffahrt kaum noch möglich. Schon im Vorjahr führte die Elbe an 365 Tagen Niedrigwasser. Der Bau von Staustufen an der tschechischen Elbe würde jedoch an dieser Situation nichts ändern.
„In Deutschland besteht ein politischer Konsens, dass ein Ausbau der Elbe zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auch künftig nicht stattfindet“, erklärt Stephan Kühn, Mitglied des Bundestags für Bündnis 90/Die Grünen. „Wie meine aktuelle Anfrage bei der Bundesregierung ergeben hat, wurde 2014 nahezu ganzjährig die für rentable Massenguttransporte notwendige Tiefe von 2,50 Meter nicht erreicht. In der Folge ist der Gütertransport um 50 % auf 0,4 Mio. Tonnen eingebrochen.“ Kühn plädiert dafür, dass im Rahmen eines länder- und verkehrsträgerübergreifenden Konzeptes nach Alternativen für den Güterverkehr gesucht werden solle.
Inzwischen hat die deutsche Bundesregierung bekannt gegeben, dass statt 1,60m nur noch eine Fahrtiefe von 1,20 m gewährleistet werden könne. Eine Verlagerung des Güterverkehrs auf den Fluss ist damit unrealistisch.
„Die Planungen zum Bau der Staustufe haben schon 800 Mio. Kronen (32 Mio. Euro) verschlungen – und das völlig unnötigerweise“, erklärt Jana Vitnerova, Leiterin des Programms Naturschutz bei der tschechischen Umweltorganisation Arnika. „Das Bauprojekt verstößt nicht nur gegen EU-Regelungen, sondern auch gegen tschechische Gesetze. Die Staustufe ist ökonomischer und ökologischer Unsinn. Nach zwanzig Jahren, ist es Zeit andere, modernere Lösungen zu suchen.“ Hinzu käme, dass durch den Bau das Ziel, eine ganzjährig schiffbare Verbindung von Tschechien zum Hafen Hamburg herzustellen, nicht ansatzweise erreicht werden würde. Deshalb fordern Arnika und der BUND die tschechische Regierung auf, die Planungen zu stoppen.
Franziska Heß, stellvertretende Landesvorsitzende des BUND Sachsen und Fachanwältin für Verwaltungsrecht, hebt hervor, dass nach den Maßgaben des jüngsten Urteils des EuGH vom 1.7.2015 ein Ausbau der Elbe durch die geplante Staustufe als Verschlechterung des ökologischen und chemischen Zustands des Gewässers nicht genehmigt werden dürfte. Zugleich würde hierdurch die Pflicht der Mitgliedsstaaten, den Gewässerzustand zu verbessern, missachtet. Da ein wirtschaftlicher Vorteil durch den Bau der Staustufe nicht zu erwarten ist und auch keine überwiegenden sonstigen öffentlichen Interessen erkennbar sind, könnten die ökologischen Schäden auch kaum im Wege einer Ausnahme zugelassen werden. Somit darf bezweifelt werden, dass die Pläne einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würden.
Der Bau der Staustufe Decín ist keine Lösung für die Probleme des Güterverkehrs, denn die Elbe ist auf ihrer ganzen Länge in Deutschland durch lang anhaltende Niedrigwasserperioden geprägt. Als Alternative für die Wirtschaft böte sich der Ausbau (Elektrifizierung) der Schienentrasse im sogenannten Ostkorridor – Hamburg-Uelzen-Stendal-Magdeburg-Leipzig-Hof – mit Verbindung nach Pilsen an.
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