Erklärung zur Zukunft der Elbe
8. Elbekirchentag in Dessau-Roßlau am 12.9.2015 | Erklärung zur Zukunft der Elbe
Die Teilnehmenden des 8. Elbe-Kirchentages erklären:
Zur Zukunft der Elbe
Wir sehen uns gemeinsam in der Verantwortung, Zukunftsperspektiven für Mensch und Natur entlang der Elbe zu wahren, denn die Schöpfung ist dem Menschen anvertraut, sie zu bewahren und zu gestalten (1.Mose 1). Die Elbe als letzter noch relativ naturnaher und über 600 Kilometer frei fließender Fluss in Deutschland mit ihren einzigartigen Auenlandschaften steht beispielhaft für ein Miteinander von Natur- und Kulturlandschaft. Hier haben jahrhundertelang Menschen natürliche Lebensräume mitgestaltet und zugleich Artenvielfalt bewahrt. Doch die Elbe und ihre Auen und damit ein unwiederbringlicher Teil der Schöpfung sind gefährdet.
Zu den Baumaßnahmen an der Elbe
Seit über 20 Jahren liegt der Schwerpunkt bei Investitionen auf der Funktion der Elbe als Wasserstraße. Wir stellen fest, dass trotz enormer Anstrengungen (Baumaßnahmen wie Schotterungen und Buhnenvorschüttungen) immer weniger Güter auf der Elbe transportiert werden. Statt der prognostizierten 12 Mio. Tonnen pro Jahr wurde 2014 mit 0,4 Mio. Tonnen nur ein Bruchteil der vorhergesagten Menge transportiert. Der Fluss ist immer häufiger von extremen Niedrigwasserständen geprägt, die einen planbaren Gütertransport unmöglich machen. Wir fordern, dass dieser Entwicklung Rechnung getragen wird. Das fehlende Wasser kann weder herbeigebaut noch herbeigebaggert werden. In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden: Es kann keine bestimmte Fahrrinnentiefe für die Zukunft zugesagt werden.
Zu der Erosion der Flusssohle
Die bislang als Reparaturen deklarierten Baumaßnahmen an der Elbe lehnen wir als unzeitgemäße Eingriffe in das System Fluss-Aue ab. Das Regelungssystem bedarf einer grundsätzlichen Überprüfung, da die ökologischen Schäden groß sind und ein wirtschaftlicher Nutzen nicht erkennbar ist. Die Elbe wird durch die künstliche Einengung und Begradigung weiter vertieft, ohne Vorteile für die Schifffahrt zu bringen. Mit dieser schädlichen Sohlerosion und Flussbettvertiefung wird der Fluss immer weiter von der Aue entkoppelt. In der Folge sinkt der Grundwasserspiegel ab – der Wasserlandschaft fehlt zunehmend das Wasser. Die Folgen für unsere Region sind sichtbar negativ:
Die unnatürliche Vertiefung verstärkt zusätzlich die Auswirkungen der immer häufigeren lang anhaltenden Trockenphasen. Mit großer Sorge sehen wir in diesem Sommer, wie dem UNESCO Welterbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich der Wasserspiegel des Sees in den „Wörlitzer Anlagen“ über 50 cm gesunken ist. Die Zuflüsse führten kein Wasser mehr.
Die Auen- und Parklandschaften sind von Austrocknung bedroht. Die Tiefenerosion der Elbe muss schnellstens gestoppt werden. Der Rückbau von flußbaulichen Anlagen, die diesen sich selbst beschleunigenden Prozess verstärken, muss zeitnah vorangetrieben werden.
Zum Hochwasserschutz
Priorität im Einsatz von öffentlichen Mitteln muss neben der zeitnahen Fortführung der Ertüchtigung der Deiche die Planung und Durchführung des vorbeugenden Hochwasserschutz erhalten. Dazu sind geeignete ehemalige Auen in natürliche Überflutungsflächen umzuwandeln, um die Hochwasserstände zu senken.
Zu weiteren Ausbauplanungen
Wir erwarten von der Bundesregierung die Zurückweisung der Forderungen Tschechiens nach einer weiteren Vertiefung der Elbe. Der Bau der geplanten Elbe-Staustufen bei Decin unmittelbar hinter der deutsch-tschechischen Grenze wäre keine Verbesserung für die Güterschifffahrt bis nach Hamburg. Ebenso klar abzulehnen ist der Bau eines Elbe-Saale-Kanals. Dieser Kanalbau wäre eine absehbare Fehlinvestition. Es ist eine Illusion zu glauben, dass mit diesem Kanal auf der Saale Schifffahrt stattfinden würde. Das Projekt gehört deshalb nicht in den neuen Bundesverkehrswegeplan.
Wir hinterfragen die ökonomische Notwendigkeit eines Ausbaus der Unterelbe. Eine weitere Vertiefung wird den immer größeren Schiffen die Tide-unabhängige Fahrt nicht ermöglichen. Dagegen stehen zudem die negativen Folgen für das Ökosystem wie auch für die Sicherheit der Deiche. Wir fordern stattdessen den Bund und die beteiligten Länder auf, ein übergreifendes Hafenkonzept vorzulegen und sich auf eine sinnvolle Arbeitsteilung der großen Seehäfen zu einigen. So können vorhandene Kapazitäten ausgeschöpft werden.
Zur Entwicklung eines Elbe-Gesamtkonzepts mit Beteiligung der Öffentlichkeit
Wir begrüßen die Bemühungen für ein Elbe-Gesamtkonzept durch den Bund und die Länder. Wir sind der Überzeugung, dass ein tragfähiges Zukunftskonzept, das sich mit der Elbe über ihre Funktion als Wasserstraße hinaus als Naturraum befasst, nur durch Beteiligung aller Betroffener erfolgreich entwickelt werden kann. Dazu ist ein ergebnisoffener und transparenter Prozess notwendig, an dem wir uns aktiv einbringen wollen.
Unser Anliegen ist es, eine Wiedergutmachung der seit Jahrzehnten anhaltenden Fehlentwicklungen zu fordern. Ein Umsteuern an der Elbe erscheint uns dringend geboten.