Elbe verbindet – Staustufe trennt!
Dessau/Dresden, Freitag, 13. Mai 2011
Schwimmender Protest für eine Herzenssache
Die Dresdner Langstreckenschwimmerin Kirsten Seidel schließt sich der Schwimmaktion von Děčín zum Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden an.
Die Begeisterung für die Elbe und die Möglichkeit für eine Herzenssache ein Zeichen zu setzen zieht weitere Aktive an: Unter dem Motto „Elbe verbindet – Staustufe trennt“ schließt sich die Langstreckenschwimmerin Kirsten Seidel den Sportlern Torsten Kettritz und Claus-Rainer Wolter aus Sachsen-Anhalt an. Am Dienstag, den 31. Mai, starten sie in Děčín. Die Schwimmer wollen am Mittwoch, 1. Juni gegen 15.30 Uhr zeitgleich mit dem Fahrgastschiff der Evangelischen Landeskirche Anhalts „Anhaltische Bo(o)tschaft“ zu Beginn des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Dresden ankommen. Die „Anhaltische Bo(o)tschaft“ ist nahe der Carolabrücke am Anleger 9 zu finden.
Die Akteure eint das Anliegen die Elbe als naturnahen Fluss zu erhalten. Sie sehen mit Sorge die Baumaßnahmen, die ihren Fluss verändern; deren Kosten sind hoch, der Nutzen allerdings nicht ersichtlich. Der nahe der deutschen Grenze geplante Bau der Staustufe Děčín ist Anlass für die gemeinsame Schwimmaktion mit den tschechischen Umweltschützern.
„Flüsse machen an Staatsgrenzen nicht halt, darum haben wir uns zu einer grenzüberschreitenden Aktion entschlossen. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass die geplante Staustufe und Wasserkraftanlage in Tschechien sowohl für die tschechische als auch für die deutsche Elbe nachteilige Auswirkungen haben würde. Allerdings würde der gewünschte Nutzen, per Schiff jeden Tag von Tschechien bis nach Hamburg fahren zu können, durch den Bau nicht erreicht werden“ so die Aktiven.
„Als Schwimmer wissen wir: Die Elbe führt mal viel und mal wenig Wasser – das gilt für die tschechische wie auch für die deutsche Elbe. Hier muss mit monatelangen Niedrigwasserphasen gerechnet werden. Deshalb halten wir dieses Staustufenprojekt für falsch. Unser Herz schlägt für die Elbe von der Quelle bis zu Mündung. Das Motto des Kirchentages ‚…da wird auch dein Herz sein‘ passt genau dazu.“
Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Regelmäßiges Training ist für die Schwimmer Pflicht, in der Elbe schwimmen sie so oft wie möglich. Das gesamte Team besteht aus 20 – 25 Personen. Mit dabei ist eine Schwimmstaffel aus Tschechien. Neben einem Motorboot wird jeder Schwimmer von einem Kanu begleitet.
Unterstützt wird das Schwimmprojekt 2011 von der Evangelischen Landeskirche Anhalts, deren Leitender Geistlicher, Kirchenpräsident Joachim Liebig, die Schirmherrschaft übernommen hat. Der Bund für Umwelt und Natrschutz Deutschland (BUND) begleitet die Tour.
Medienvertreter sind herzlich eingeladen die Schwimmer für ein Stück zu begleiten. Dazu bieten wir eine (begrenzte) Anzahl von Bootsplätzen an. Den Ablauf der Tour finden Sie unter www.flusschwimmen.de, die Zeiten können sich aber Witterungs- und Strömungs bedingt ändern. Wir bitten Sie daher, sich telefonisch zu vergewissern, ob wir im Zeitplan liegen, falls Sie am Ufer die Schwimmer erwarten wollen.
Rückfragen: Iris Brunar, Tel.: 0340-850 7978, mobil: 0178-163 0204
Elbekoordinatorin im BUND-Elbeprojekt
www.flussschwimmen.de | www.elbeinsel.de
www.landeskirche-anhalts.de bzw. www.landeskirche-anhalts.de/projekte/kirchentag-dresden
Die Akteure:
Claus-Rainer Wolter, ist im Außendienst tätig und lebt in Zieko, bei Dessau. Er ist 63 Jahre alt, stolzer Großvater und bekennender Christ. Wolter möchte die Elbe als wunderschönen Teil der Schöpfung für die kommenden Generationen erhalten.
Torsten Kettritz lebt in Dessau und arbeitet als Therapeut für Jugendliche. Der 49-jährige ist über das Schwimmen im Fluss zum Elbeschützer geworden. Seine Augen beginnen zu strahlen, wenn er über das Schwimmen in der Elbe erzählt.
Kirsten Seidel, 46, ist Diplom-Ingenieurin für Maschinenbau und lebt in Dresden. Im Jahr 2006 schwamm sie in 10 Tagen von Dresden bis nach Hamburg. Diese außergewöhnliche Frau will mit ihren spektakulären Schwimmaktionen Hilfsprojekte unterstützen. Auch die Elbe braucht Hilfe, denn dieser traumhafte Fluss muss Kirsten Seidels Ansicht nach erhalten werden.
Jana Vitnerova arbeitet für die Umweltorganisation Arnika. Seit mehr als zwei Jahrzehnten kämpft die 46-jährige für die Belange der Natur, die auch immer die Belange der Menschen betreffen. Sie und die tschechischen Aktiven Pavla Zelenkova (Arnika) und Jiří Mejsnar (Koaöition für Flüsse) schwimmen als Staffel.
Hintergrundinformationen zur Elbe
Die Elbe – der letzte naturnahe Strom mitten in Deutschland
Die Elbe ist unser Schatz. KEIN zweiter Strom in Deutschland ist noch so naturnah wie die Elbe, gesäumt von weiten Auenlandschaften und einladenden Sandstränden, reich an Pflanzen, Tieren und Lebensräumen. KEIN zweiter Strom in Deutschland ist für den Naturschutz und das Naturerleben so wertvoll wie die Elbe. Die Elbe hat eine überragende touristische Bedeutung.
Unsere Sorge: Das Hochwasser
Bei Hochwasser versetzt uns die Elbe in Sorge. Immer häufiger treten so genannte Jahrhunderthochwässer auf. Nur wenn es uns gelingt, die Hochwasserstände zu senken, werden auch unsere Sorgen abnehmen. Um unsere Städte und Dörfer besser zu schützen, brauchen unsere Flüsse mehr Raum, mehr natürliche Überschwemmungsflächen. Der nachhaltige Hochwasserschutz muss höchste Priorität haben.
Verkehrliche Bedeutungslosigkeit der Elbe
Die Elbe ist auch Wasserstraße. Das Güteraufkommen ist bereits seit 100 Jahren rückläufig. Derzeit werden gerade mal 0,2 % aller Güter, die im Elberaum transportiert werden, per Binnenschiff auf der Elbe bewegt. Die Kosten dafür stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen.
Für die Wasserstraße Elbe werden jährlich 40 Mio. Euro ausgegeben! (Quelle: Bundesregierung 2008) Der fortschreitende Bedeutungsverlust der Wasserstraße Elbe wird an den abnehmenden Transportmengen deutlich: 1989 wurden noch 9,5 Mio. t Güter auf der Elbe befördert, 2009 waren es nur noch 0,9 Mio. t. (Quelle WSD Ost). Die ursprüngliche Prognose lag bei 12 Mio. Tonnen für das Jahr 2010.
Niedrigwasser an der Elbe – alle Jahre wieder
Die stark schwankenden Wasserstände der Elbe lassen keinen fahrplanmäßigen Verkehr zu. Die laufenden Baumaßnahmen können daran nichts ändern. Auf ihrer gesamten Länge von der tschechischen Grenze bis nach Lauenburg (kurz vor Hamburg), weist die Elbe im Schnitt über 100, in manchen Jahren bis zu 200 Niedrigwassertage pro Jahr auf (d.h. weniger als 1,60 m Fahrrinnentiefe). Aber auch Hochwasser und Eisgang schränken die Schifffahrt ein. Die Elbe ist kein planbarer Transportweg, denn diese Ereignisse sind nicht vorhersagbar. Daher sind nur wenige Güterschiffe auf der Elbe unterwegs. Baggern oder Schottern (Steinschüttungen) können daran kaum etwas ändern.
Der Klimawandel wird das Problem noch deutlich verstärken
Die Niedrigwasserstudie des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, dass die Elbe immer weniger Wasser führt. So hat Dr. Frank Wechsung beobachtet, dass die niederschlagsfreien Tage in der Vergangenheit zunahmen. „Wenn diese Trends andauern, müssen wir mit häufigerem und extremerem Niedrigwasser an der Elbe rechnen“ und schlussfolgert: „Die Elbe würde in Niedrigwasserzeiten weniger Wasser führen und wäre daher noch schlechter schiffbar.“
Dennoch: Der Fluss wird weiter gesteinigt
Die Tatsache, dass der Elbe für eine rentable Güterschifffahrt nicht geeignet ist, wird von der zuständigen Behörde, der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost, ignoriert. Seit 2004 wird die Illusion verbreitet, dass die Elbe bis 2010 für Güterschiffe fast ganzjährig befahrbar sein würde. Das Ziel wurde erwartungsgemäß nicht erreicht. Hunderttausend Tonnen Schottersteine landeten jährlich im Fluss – verbunden mit hohen Kosten, aber ohne Nutzen. Der Wassermangel der Elbe kann dadurch nicht behoben werden.
Den Schaden trägt der Fluss und die Menschen
Durch die Steinschüttungen an den Elbufern und durch die Einengung des Flusses gehen naturnahe Ufer, oft auch Laichbiotope für Flussfische verloren. Nach EU-Recht geschützte Lebensräume, z.B. Sandbänke) werden zerstört. Abschnittsweise tieft sich der Fluss ein, teilweise schon bis zu 2 Meter, ein Prozess, der durch die Baumaßnahmen forciert wird. Die Folge ist ein Absinken des Grundwasserspiegels in der Aue. Damit wird weiteren geschützten Lebensräumen wie Auenwäldern oder Altarmen das Wasser abgegraben. Dem UNESCO-Welterbe-Gebiet Dessau-Wörltz droht die schleichende Austrocknung, ebenso dem UNESCO-Biosphärenreservat „Mittelelbe“. Das Naturschutzrecht der EU sieht aber ein Verschlechterungsverbot für diese Gebiete vor!
Elbe-Saale-Kanal
Der Elbe-Saale-Kanal (auch Saale-Seitenkanal genannt) ist eine absehbare Fehlinvestition. Inzwischen haben sich die Kosten nahezu verdoppelt – auf bis zu 150 Mio. Euro – ein entsprechender Nutzen wird von zahlreichen unabhängigen Wissenschaftlern jedoch bezweifelt. Unter Sparzwang scheint die Bundesregierung nun das Projekt aufgeben zu wollen. Doch die Landesregierung in Sachsen-Anhalt fordert weiterhin den Kanal – obwohl selbst die Binnenschifffahrtsverbände durch den Kanalbau kaum eine Belebung der Schifffahrt erwarten, wenn nicht auch die Elbe weiter ausgebaut werde.
Staustufenpläne Tschechiens bedrohen die gesamte Elbe
Die bei Decin geplante Elbe-Staustufe würde der Schifffahrt kaum etwas nützen, wenn nicht auch in der Elbe in Deutschland eine Kette von 20-30 Staustufen gebaut würden. Das wäre allerdings das Ende des letzten naturnahen Flusses in Deutschland. Eine kanalisierte Elbe würde auch die Hochwassergefahren verschärfen. Eine große Mehrheit in Politik und Bevölkerung lehnt eine Betonierung des Flusses ab.
Es gibt Alternativen: Bahn und Elbe-Seitenkanal!
Es gibt sinnvolle Alternativen zur Nutzung der Mittelelbe als Wasserstraße! Schon heute transportiert die Bahn parallel zur Elbe ein Vielfaches. Die Bahn hat noch ausreichend freie Kapazitäten im Elbekorridor. UND: Es gibt zwischen Magdeburg und Lauenburg für Güterschiffe eine sinnvolle Umgehung über Mittelland- und Elbeseitenkanal. Schon jetzt werden auf dieser Strecke zehnmal mehr Güter befördert als auf der Elbe.
Engagement für die Elbe
An keinem zweiten Fluss in Deutschland engagieren sich seit 20 Jahren so viele Menschen für dessen Schutz und Bewahrung. Wir fordern die Politik auf, Argumente anzuhören und Prioritäten zu setzen. Für die Elbe steht eine Entscheidung an: Naturnaher Fluss oder leistungsfähige Wasserstraße? Beides kann man nicht gleichzeitig haben.