Dankesrede zur Verleihung des Verdienstordens des Landes Sachsen-Anhalt
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Haseloff,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
Ich bin zutiefst dankbar und zugleich ehrlich verwundert, heute diesen Landesverdienstorden entgegenzunehmen. Wenn man jahrzehntelang gegen den Strom schwimmt, rechnet man nicht mit solchen Ehren. Mein Weg begann vor 75 Jahren als Dorfkind, aufgewachsen in einem kleinen Ort mit großem Kirchturm südlich der Lutherstadt Wittenberg. Was ich von Kindesbeinen an gelernt habe, war ein achtsamer Umgang mit dem Mutterboden, mit den Tieren und mit unserer Nahrung. Wir lebten fast ausschließlich von dem, was Garten, Feld und Stall hergaben. Die Natur war unsere Lebensversicherung, und sie ist es bis heute für uns alle, auch wenn es uns nicht immer bewusst ist.
Schon während meines Chemiestudiums in Magdeburg wurde mir klar, dass unsere Natur einen Anwalt braucht. Mit dem Engagement für eine gesunde Umwelt geriet man damals sehr schnell in den Verdacht staatsfeindlicher Handlungen. Ich bin stolz darauf, den Organen der Staatssicherheit 10 Jahre lang reichlich Beschäftigung und so manches Kopfzerbrechen bereitet zu haben. Vorausschauendes Denken und Handeln, der ökologische Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft waren schon damals meine Leitmotive.
Im November 1989 wurde ich zum Mitbegründer der Grünen Partei der DDR. 1990 forderte ich in der Volkskammer und im Bundestag den Einstieg in die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie. Doch mit der geschürten Angst vor dem angeblichen Ausgehen der Lichter wurde diese Chance vertan. Ich frage mich: Wo würden wir heute stehen, wenn wir diese Chance beherzt ergriffen hätten? Wir hätten heute die billigste Energie, die modernsten Technologien; wir wären nicht erpressbar und wir würden wohl in einer friedlicheren Welt leben.
Nach dem Verlust des DDR-Prädikats „Staatsfeind“ fand ich in der neuen Bundesrepublik sehr schnell eine neue Rolle: Ich wurde zum „Wirtschaftsfeind“ des Aufschwungs Ost erklärt. Ich widmete mich dem Schutz unserer Flüsse Elbe und Saale, dem „Tafelsilber der deutschen Einheit“, wie Klaus Töpfer es formulierte. Doch die Elbe sollte zur bedeutenden europäischen Wasserstraße entwickelt werden – Kosten von Hunderten Millionen Euro Steuergelder schienen dafür nicht zu schade zu sein.
Es kam anders und es war lange vorhersehbar. Der Elbe fehlte zunehmend die nötige Wassermenge und die Jahrhundertsommer häuften sich. In diesem Jahr 2025 führte die Elbe seit Ende Februar bis zum heutigen TageNiedrigwasser. Schon 1986 wurde vor den Folgen der Klimaerwärmung gewarnt – nachzulesen im Bericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages zum Schutz der Erde, erarbeitet von zwölf Professoren und Fachpolitikern aller
Parteien. Demnach sollte ab 1995 der Ausstieg aus den Treibhausgasen eingeleitet werden. Doch der Bericht blieb folgenlos, es fehlte der Mut zur Veränderung. Immerhin: Die Elblandschaft mit ihrer einmaligen Schönheit und biologischen Vielfalt wurde nach der Wende als touristischen Attraktion entdeckt.
Und noch etwas, was wie ein Wunder erscheinen mag: Aus Wind und Sonne werden inzwischen in Deutschland schon über 60% der elektrischen Energie erzeugt, ohne dass die Lichter ausgegangen sind!
Nun stehe ich hier. Ich bin dankbar dafür, dass wir in einer Demokratie leben, in der auch kritische Stimmen respektiert und nun sogar geehrt werden. Ich nehme diesen Orden nicht an, ohne ihn symbolisch weiterzureichen an all jene Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die über Jahrzehnte gemeinsam für Natur und Klima gestritten und nicht aufgegeben haben. Ihnen danke ich für ihre Ausdauer und für ihre Kreativität. Was wünschen wir uns von den politischen Entscheidungsträgern? Hören Sie auf die Wissenschaft! Handeln sie entschlossen und vor allem weitsichtig. Die Elbe als Wasserstraße ist Vergangenheit. Die Elbe als Fluss hingegen hat eine große Zukunft. Sie ist die Lebensader von Sachsen-Anhalt. Wir brauchen die Elbe mit ihren Auen als Verbündete beim Schutz von Klima und Natur sowie im Wassermanagement, um Katastrophen durch Dürre und Hochwasser zu vermeiden. Auch künftig werden wir uns kümmern müssen, kümmern um unser wichtigstes Kapital, um unser Naturkapital. Nichts ist wichtiger als die Sicherung unserer natürlichen Lebensbasis, denn ohne saubere Luft, klares Wasser, gesunde Nahrung, grüne Wälder und lebendige Flüsse sind wir nicht überlebensfähig. Lassen Sie uns dieses Naturkapital gemeinsam sichern, denn es ist die einzige Lebensversicherung, die wir alle teilen. Wir sollten dabei unsere Kinder und Enkel bei allem, was wir tun, als Erstes im Blick haben.
Vielen Dank.
Magdeburg Staatskanzlei, 03.12. 2025