Die Staustufe bei Děčín – ein Projekt des letzten Jahrhunderts
6. 5. 2011 | BUND-Elbeprojekt
Aktuelle Planungen an der Elbe:
Im vergangenen Herbst hat Tschechien zum wiederholten Mal die Studie zur Umweltverträglichkeit für den geplanten Bau einer Elbe-Staustufe bei Děčín, nahe der deutsch-tschechischen Grenze vorgelegt. Erst auf Drängen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wurde eine teilweise Übersetzung der Unterlagen durchgeführt und die deutsche Öffentlichkeit zu dem Verfahren angehört.
Die frei fließende Elbe ist ein noch relativ naturnaher Fluss und von überragender Bedeutung für den internationalen Naturschutz. Auf 600 Kilometern Länge von der letzten Staustufe bei Usti nad Labem bis oberhalb Hamburg ist sie nach der der europäischen Richtlinie für Gewässerschutz als natürliches Gewässer eingestuft worden (EG-Wasserrahmenrichtlinie). Auf deutschem Gebiet steht die Elbe nahezu auf ihrer gesamten Länge unter dem Schutz von Natura 2000.
Die Elbe ist ein wertvoller und für Mitteleuropa einzigartiger Naturraum, daher hat sich der BUND intensiv mit den Unterlagen zur Staustufe bei Děčín befasst. Das Ergebnis der Analyse der Studie ist besorgniserregend und aufschlussreich.
Fazit: Der BUND kommt in seiner Stellungnahme zu dem Schluss, dass der Bedarf für den Bau der Staustufe Děčín nicht ordnungsgemäß nachgewiesen wurde und daher die Planungen eingestellt werden müssen.
Eine Analyse der realen Fahrbedingungen auf der deutschen Elbe fand nicht statt. In den vorgelegten Unterlagen wird von konstanten Fahrbedingungen an der deutschen Elbe ausgegangen, die jedoch nicht gegeben sind. Tschechien beruft sich bei der Planung auf eine Absichtserklärung mit Deutschland. Darin wird die Gewährleistung einer Fahrrinnentiefe von 1,60 m bzw 1,50 m nahezu ganzjährig versprochen. Diese Absichtserklärung ist jedoch nicht rechtlich bindend und kann von Deutschland nicht eingehalten werden, wie offizielle Aussagen der Bundesregierung belegen.
Es wurde keine Variante vorgelegt, die eine Alternative prüft, wie z.B. einen anderen Verkehrsträger. Die Planungsunterlagen behaupten einen Engpass auf der Schiene, der jedoch nicht nachgewiesen wurde und defacto auch nicht vorhanden ist.
Eine Verlagerung der Transporte ist gar nicht geplant. Nach den Planungsunterlagen würden durch den Bau der Staustufe kaum Transporte auf das Güterschiff verlagert werden. Somit würde durch das Bauwerk ein eventuell existierender Engpass auf der Schiene nicht beseitigt werden.
Das Hauptziel ist, die Preise der Bahn zu drücken. Die wirtschaftliche Notwendigkeit für den Bau der Staustufe wird in der Studie vor allem mit der Herstellung einer Konkurrenz-Situation zwischen Schiff und Bahn begründet. Dadurch sollen die die Preise der Bahn gedrückt werden. Jedoch existiert jetzt schon Konkurrenz auf der Schiene. Seit dem Entstehen der Privatbahnen sind die Preise stark gesunken. Inzwischen liegen sie auf einem ähnlichem Niveau wie bei der Schifffahrt. Die Rechnung geht nicht auf.
Außer Acht gelassen wird zudem, dass auch durch den Bau der Staustufe die ganzjährige durchgängige Schiffbarkeit zwischen Tschechien und den Nordseehäfen nicht hergestellt werden kann, da auf den 550 Kilometern der frei fließenden deutschen Elbe ähnliche Fahrbedingungen herrschen wie derzeit auf der frei fließenden tschechischen Elbe. Auch aus diesem Grund würde das Güterschiff auch nach dem Bau der Staustufe keine Konkurrenz für die Bahn darstellen.
1,90 Meter ist nicht gleich 1,50 Meter. Hinzu kommt, dass Tschechien plant, eine Fahrrinnentiefe von 1,90 Meter herzustellen. Zwischen der Grenze und Dresden wird noch nicht einmal eine Fahrwassertiefe von 1,50 Meter ganzjährig erreicht. Begründet wird dieser tiefere Ausbau, dass die deutsche Elbe ein Bett aus Sand habe. Doch das anschließenden Stück der deutschen Elbe hat die gleiche Struktur der Sohle wie die tschechische Elbe. !,90 Meter werden auf der deutschen Elbe im Schnitt an ca. 190 Tagen im Jahr erreicht. Das bedeutet, dass keine Angleichung an deutsche Fahrbedingungen vorgenommen wird, sondern, dass durch das Bauvorhaben eine Vertiefung über das in Deutschland vorhandene Maß hinaus vorgenommen werden soll.
Der Bau der Staustufe Děčín wäre eine isolierte Insellösung und brächte nur auf einer Strecke von ca. 15 Flusskilometern eine Verbesserung der Fahrbedingungen . Weder der Anschluss stromab noch stromauf zu dem ausgebauten tschechischen Wasserstraßennetz wäre gegeben. Dazu wäre der Bau von weiteren Staustufen notwendig. Der Ausbaudruck auf die deutsche Elbe würde erhöht werden.
Das Staustufenprojekt Děčín verstößt gegen EU-Gesetze. Die jetzt als natürliches Gewässer eingestufte Elbe wäre nach dem Bau der Staustufe erheblich verändert. Dies verstößt gegen das Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot, die nach EU-Gesetzen für die Elbe vorgeschrieben sind. Immens verschärft würden die negativen Auswirkungen zudem noch durch den geplanten Bau und Betrieb einer Wasserkraftanlage. Dies betrifft insbesondere auch FFH-Gebiete in Deutschland; auch die Vorgaben der Aal-Richtlinie wären nicht einzuhalten.
Das nach EU-Gesetz erforderliche „überwiegende öffentliche Interesse“ wurde in der Studie nicht nachgewiesen. Aus diesen Gründen ist das Projekt abzulehnen und die Planungen zu stoppen.
Der Schutz der deutschen FFH-Gebiete an der Elbe ist ohne den entsprechenden Schutz des Oberlaufs der Elbe in Tschechien weniger effektiv. Gerade für die Wanderungen der Fische wie auch für die Wasserqualität ist dies ausschlaggebend. Hinzukommt, dass die Staustufe eine weitere Barriere für Geschiebe wäre, die den Prozess der Eintiefung der Flusssohle der mittleren deutschen Elbe verschärfen würde und in der Folge FFH-Gebiete schädigt.
Wer profitiert? Ein immer wiederkehrendes Problem bei Planungen ist, dass die Begründung der Wirtschaftlichkeit von Bauvorhaben nicht Teil der öffentlichen Anhörungen ist und nicht überprüft wird. Erfahrungen zeigen, dass gerade bei Großprojekten eine politische Entscheidung zu Grunde gelegt wird, die nicht auf Aspekten der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit basiert. Es gibt keine Instanz, die übertriebene oder gar fehlerhafte wirtschaftliche Begründungen korrigieren kann. Teure und umweltschädliche Investruinen sind so vorprogrammiert.
Die Nutzung der Elbe als Wasserstraße steht in Konkurrenz zur Elbe als geschützter und hochwertiger Naturraum. Per politischen Beschluss wird die Wasserstraßennutzung prioritär über alle anderen Nutzungen gestellt, obwohl die auf der Elbe transportierten Gütermengen – trotz Investitionen von mehreren Millionen Euro jährlich – immer weiter zurückgegangen sind und nun auf einem historischen Tief von ca. 1 Mio. Tonnen angekommen sind. Diese Menge entspricht weit weniger als 1% aller Gütertransporte im tschechischen und deutschen Elberaum insgesamt. Dieser Tiefststand ist auf die immer häufigeren, längeren und extremeren Niedrigwasserperioden zurückzuführen. Dadurch ist die Güterschifffahrt auf der Elbe über viele Monate hinweg nur sehr eingeschränkt oder gar unmöglich. Der Bau der Staustufe Děčín würde diese Situation nicht ändern.