Pressemitteilung: BUND-Tour Dialog im Boot | 09. Juli 2018

Pressemitteilung: BUND-Tour Dialog im Boot | 09. Juli 2018

Dessau / Coswig, 9. Juli 2018

BUND-Tour Dialog im Boot

Rinnsal Elbe: Die Austrocknung der Landschaft muss gestoppt werden

Bei extremen Niedrigwasser – die Fahrrinnentiefe der Elbe beträgt weniger als 70 cm – starten am heutigen Montag mehrere Schlauchboote des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zu einer 20 Flusskilometer langen Fahrt von Coswig nach Roßlau. An der BUND-Tour Dialog im Boot mitten durch das UNESCO Welterbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich und dem UNESCO Biosphärenreservat Mittelelbe beteiligen sich zwanzig Personen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Gesellschaft. Im Zentrum der Debatte steht der extreme Wassermangel in Aue und Gartenreich sowie die Auswirkungen der Wasserstraßen-Politik auf diese Region.

„Die Auen und das Gartenreich sind staubtrocken, die Wiesen zunehmend braun. Im Wörlitzer Landschaftspark kommen die Gondeln nicht mehr in die Kanäle, weil das Wasser fehlt. Wie die wertvollen Baumbestände die schon chronische Trockenheit vertragen, ist nicht vorhersagbar“, warnt Iris Brunar, vom BUND-Elbeprojekt.

Verstärkt werde der Wassermangel durch die unnatürliche Einengung der Elbe, mit dem Ziel eine ganzjährig befahrbare Wasserstraße herzustellen. Die Folge ist eine Tiefenerosion und eine Entkopplung von Fluss und Aue. Die Elbe erreicht sogar bei höheren Wasserständen die Aue nur noch selten, die Wasservorräte werden nicht mehr aufgefüllt. Dieser Erosions-Prozess gefährde das langfristige Fortbestehen von Gartenreich und Biosphärenreservat, räumt auch die für die Elbe zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung ein.

„Befragungen und wissenschaftliche Studien belegen die hohe Wertschätzung, die naturnahe Flusslandschaften in der Bevölkerung genießen. Die meisten Menschen halten sich sehr gerne an Flüssen auf, wie am Radweg entlang der Elbe zu sehen ist, der zu den beliebtesten Radwegen Deutschlands gehört“, sagt Prof. Dr. Alexandra Dehnhardt vom Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung an der TU Berlin. „Naturnahe Flusslandschaften haben aber zudem eine Reihe weiterer Funktionen, die für den Menschen sehr wichtig sind, sie regulieren den Wasserhaushalt. Diese Aufgabe wird im Zuge der Klimakrise erheblich an Bedeutung zunehmen. Die aktuelle Trockenheit ist ein Vorbote des Wandels.“

Oberste Priorität müsse es haben, das Wasser in der Landschaft zu halten statt es rasch abzuleiten. Der Umgang mit der Elbe müsse sich danach ausrichten. Die Existenz von Aue und Gartenreich dürfe nicht durch eine weitere Vertiefung auf das Spiel gesetzt werden. Gefährdet werde damit auch eine der auffallend positiven wirtschaftlichen Entwicklungen in der Region, der Rad- und Kulturtourismus.

„Anstatt zu versuchen ein nicht erreichbares Fahrrinnentiefenziel her zu bauen, sollten die wirklichen Probleme gelöst werden. Das Ziel der Bundesregierung, die Schiffbarkeit der Elbe weiter zu verbessern, darf laut Gesamtkonzept nicht auf Kosten der Flusslandschaft gehen. Es müssen zugleich die für Region und Gesellschaft so wichtigen ökologischen Ziele umgesetzt werden. Vor allem muss die Sohlerosion gestoppt und umgekehrt werden, damit wieder mehr Wasser die Landschaft erreicht. Die Frage, wie das gehen soll, muss schleunigst beantwortet werden. Wir fordern das Bundesministerium für Verkehr und die Landesregierung auf, diesen Zielen und damit den Belangen der Region höchste Priorität einzuräumen. Sie sind gleichermaßen von wirtschaftlicher wie von ökologischer Relevanz“, fasst Brunar zusammen.

Teilgenommen haben unter anderem:
Joachim Liebig, Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalt
Brigitte Mang, Direktorin der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz
Britta-Heide-Garben, Landesvorsitzende Bündnis 90 die Grünen Sachsen-Anhalt
Stephan Nauman und Dana Shilton vom Umweltbundesamt
Prof. Dr. Alexandra Dehnhardt, Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung an der TU Berlin
Schriftstellerin Ursula Günther (Charlotte Buchholz), stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins der Schriftsteller e. V.
Jost Melchior, Stadtrat Dessau-Roßlau für Liberales Bürger-Forum/Die Grünen
Dr. Ernst Paul Dörfler, Buchautor.

Für Rückfragen und Statements der Teilnehmenden:
Iris Brunar, BUND-Elbeprojekt, mobil: 0178-163 0204
E-Mail: iris.brunar@bund.net, www.bund.net

Hintergrund:
Seit Anfang der 1990er Jahre soll die Elbe zu einer ganzjährig befahrbaren Wasserstraße hergerichtet werden. 23 Millionen Gütertonnen pro Jahr sollten nach offiziellen Prognosen auf das Elbeschiff verlagert werden. Auch im Coswiger und Dessauer Raum wurde intensiv gebaut. Doch trotz aller Bemühungen sind die Transporte auf ein historisches Tief eingebrochen – vergangenes Jahr waren es nur noch 0,26 Millionen Tonnen – ein Hundertstel der Prognose. Lang anhaltende Niedrigwasserzeiten wie derzeit bringen den Gütertransport auf dem Fluss jedes Jahr über viele Monate vollständig zum Erliegen.

Gleichzeitig tieft sich die Elbe auch aufgrund der künstlichen Einengung zwangsweise immer weiter in ihr weiches Bett aus Sand ein. Daher fehlt den Auen im Biosphärenreservat und den Parklandschaften im UNESCO Welterbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich das Wasser – ihr langfristiger Bestand ist in Gefahr. Das sogenannte Sohlstabilisierungskonzept der zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung sieht nur eine Minderung der Erosion vor. Doch damit wird die Eintiefung nur verlangsamt – der Zustand verschlechtert sich immer noch weiter. Der BUND fordert daher den Stopp der Tiefenerosion und die Anhebung der Flusssohle, um der rapiden Austrocknung der Auen und des Gartenreichs entgegenzuwirken.

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